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Die Fachkraft-Kind-Interaktion ist ein Kernbestandteil der pädagogischen Arbeit

Begrüßungs- und Abschiedsrituale, alltägliche Routinen, Mahlzeiten, regelgeleitete oder „freie“ Spielsituationen, Projekte und Ausflüge bieten gute Gelegenheiten, mit Kindern in Kontakt zu kommen. Kinder und pädagogische Fachkräfte sprechen miteinander, schauen sich gegenseitig zu, regen sich an, fordern sich heraus. Wenn es gelingt, die Interaktionen mit dem Kind in einer feinfühligen, angemessenen Weise zu gestalten, seine Bedürfnisse in den Blick zu nehmen und angemessen darauf zu reagieren, können sich Beziehungen entfalten, die für das Kind unterstützend und entwicklungsförderlich sind (vgl. Weltzien 2014, 2016; Weltzien et al., 2017).
Veröffentlichungen

GInA nimmt die Art und Weise, wie Interaktionen gestaltet werden, in den Blick

Das „GInA“ Verfahren (GInA=Gestaltung von Interaktionsgelegenheiten im Alltag) wird bereits seit mehreren Jahren in Kita-Teams praktiziert. Grundlage sind Videosequenzen aus dem pädagogischen Alltag, die nach einem mehrstufigen Verfahren analysiert und reflektiert werden. Ziel dieser anwendungsorientierten Methode ist es, neue Erkenntnisse über die Bedeutung und die Wirklungen gelingender Interaktionen für den eigenen Praxisalltag zu bekommen.
Filme
Materialien

Der pädagogische Alltag ist komplex und herausfordernd

Eine zentrale pädagogische Aufgabe besteht darin, einen (emotionalen) Zugang zu allen Kindern zu finden und mit ihnen in Dialog zu treten. Es geht also bei GInA weniger um eine allgemeine Prozessqualität, sondern um die konkrete Gestaltung von Interaktionen mit Kindern bzw. Kindergruppen in einer bestimmten Situation. Mit GInA werden auch Gelingensfaktoren für Fachkraft-Kind-Interaktionen rekonstruiert wie das emotionale Gruppenklima, die dialogische Kommunikationskultur und das Wohlbefinden in Kindergruppen. Wenn das Team die Bedeutung von alltäglichen Interaktionen mit Kindern als wichtige Ressource in den Blick nimmt und sich gegenseitig darin unterstützt, können auch unter den gegebenen Bedingungen intensive Momente der Interaktion entstehen, wie zahlreiche Praxiserfahrungen zeigen. Teams können sich bewusst auf den Weg machen und nach neuen Möglichkeiten für Dialog und Partizipation suchen.

Ziel ist die bewusste Wahrnehmung des eigenen Verhaltens

Mit der (Weiter-)Entwicklung von Instrumenten zur Einschätzung interaktionsbezogener Handlungskompetenzen wird die Möglichkeit gesehen, systematische Zusammenhänge zwischen Einflussfaktoren und der tatsächlichen Gestaltung von Interaktionsgelegenheiten im Praxisalltag zu finden. Mit Hilfe der Videografie können solche Alltagssituationen kriteriengeleitet analysiert werden. Bei dieser Auseinandersetzung mit Interaktionen geht es aber nicht um ein Kommunikationstraining oder gar um eine Normierung von Verhaltensweisen, sondern darum, die Wahrnehmung auf das eigene Verhalten im Wechselspiel mit den beteiligten Kindern und „Zaungästen“ (also Kindern, die eher indirekt beteilgt sind) zu schärfen und einer reflexiven Auseinandersetzung zugänglich zu machen. Eine forschende und sensitive Haltung ist eine gute Grundlage dafür, dass Interaktionen im Alltag gelingen. Diese Haltung kann durch geeignete Methoden unterstützt werden.

Die Entwicklung von GInA im Überblick

Das Beobachtungs- und Reflexionsinstrument GInA in seiner ersten Version wurde im Rahmen eines mehrjährigen Praxisforschungsprojekts in Zusammenarbeit mit 18 städtischen Kindertageseinrichtungen in Pforzheim entwickelt. Ziel war es, systematisch und videogestützt Fachkraft-Kind-Interaktionen daraufhin zu analysieren, wie sich die Gesprächs- bzw. Interaktionsbereitschaft der Fachkraft, ihr methodisches Repertoire in der Interaktionsgestaltung und die sich in der Interaktion vermittelnden pädagogischen Wissensbestände ausdrücken. Das Projekt beinhaltete zum einen die Entwicklung und Implementierung von Beobachtungs- und Reflexionsmethoden in enger Zusammenarbeit mit den beteiligten Einrichtungen und zum anderen die Evaluation des Prozesses in einem Prä-/Postdesign. Mit den am Projekt beteiligten Fachkräften wurde zunächst ein fachlicher Austausch über die videografierten Interaktionsverläufe und deren Merkmale geführt. In einem mehrstufigen Prozess wurden dann typische Merkmale der Interaktionen zwischen Fachkraft und Kind(ern) formuliert, theoriegeleitet kategorisiert und dimensionalisiert. Die formulierten Merkmale wurden hinsichtlich ihrer beziehungsförderlichen, entwicklungs- und lernpsychologischen Relevanz überprüft und in einer weiteren Erprobungsphase weiter ausdifferenziert (Weltzien, 2013, 2014).

GInA E in Forschung und Evaluation

Der Entwicklungsprozess ist eine Triangulation aus ethnografischen bzw. rekonstruktiven Zugängen einerseits und statistischen Analysen andererseits. Dieses entwickelte Instrument wurde bereits in mehreren Praxisforschungsprojekten mit unterschiedlichem Themenschwerpunkt angewendet. Im Zeitraum 2015–2016 wurde das ursprüngliche GInA-Beobachtungs- und Reflexionsinstrument durch eine Forschergruppe am Zentrum für Kinder- und Jugendforschung (ZfKJ) an der Evangelischen Hochschule Freiburg zu einer 7-stufigen Skala weiter entwickelt und mittels umfangreicher Analysen von Videosequenzen getestet. Die Ergebnisse sind in das Evaluationsinstrument „GInA-E“ eingeflossen, das in einem Manual ausführlich beschrieben wird und sich für Forschungs- und Evaluationsprojekte eignet (Weltzien et al., 2017).
Forschungsprojekte

Praxis-/Qualitätsbegleitung mit GInA

GInA wird seit mehreren Jahren bundesweit als Instrument zur Praxis- und Qualitätsbegleitung in Kindertageseinrichtungen eingesetzt. Ziel ist eine bewusste, dialogische Gestaltung von alltagsintegrierten Interaktionen mit Kindern zu fördern. Die Prozessbegleitung von Teams gestaltet sich dabei zumeist als Kombination aus Inhouse-Teamfortbildungen sowie Einzelreflexionsgesprächen für die pädagogischen Fachkräfte, die in ihrer pädagogischen Arbeit videografiert werden. Eine zentrale Grundlage des GInA-Verfahrens ist dabei die Freiwilligkeit und Offenheit. Es gibt weder eine Verpflichtung, sich videografieren zu lassen noch ein festgelegtes Programm für Fachkräfte oder Teams. Die Praxis-/Qualitätsbegleitung mit GInA orientiert sich vielmehr an den individuellen und teambezogenen Themen und Zielen. So ist es auch möglich, GInA mit thematischen Schwerpunkten der Einrichtungen wie Sprachförderung, Inklusion oder der interkulturellen Pädagogik gut zu verknüpfen. 
Praxis-/Qualitätsbegleitung

Multiplikatorinnenschulung

Seit 2015 finden jährlich MultiplikatorInnenschulungen an der Evangelischen Hochschule in Freiburg, durchgeführt vom Zentrum für Kinder- und Jugendforschung unter Leitung von Prof. Dr. Dörte Weltzien statt. In sechs ganztägigen Fortbildungen werden vertiefte Kompetenzen in der Anwendung und Vermittlung des GInA Beobachtungs- und Reflexionsverfahrens erworben. Interessierte PädagogInnen aus Praxis, Lehre, Fort- und Weiterbildung die bereits erste Praxiserfahrungen mit GInA haben, werden mit der Schulung befähigt, Teams bei der Einführung des GInA-Verfahrens zu begleiten. 
Multiplikatorinnenschulung

Praxiserfahrungen mit GInA

Es gibt es keine einfachen Antworten hinsichtlich der Gestaltung dialogförderlicher Gruppenstrukturen und Abläufe. Allerdings zeigt sich, dass eine grundlegend dialogorientierte pädagogische Praxis eher geeignet ist, individuelle Gesprächsgelegenheiten im Alltag zu eröffnen. Die durch die Anwendung in der Praxis evaluierten Erfahrungen lassen sich folgendermaßen zusammenfassen:

  • Interaktionen werden im Team stärker als komplexes Wirkungsgeschehen wertgeschätzt und gehen seltener „im Alltag unter“;
  • die Fachkräfte haben mehr Zeit und Ruhe für Interaktionen und es kommt häufiger zur gegenseitigen Unterstützung im Team, um Gespräche mit Kindern zu stärken („Rücken frei halten“);
  • das nonverbale Ausdrucksverhalten rückt stärker in den Fokus, die Gespräche sind weniger sprachlastig, das aufmerksame Zuhören gelingt häufiger, die Kongruenz zwischen nonverbalem und verbalem Ausdruck steigt;
  • Interaktionen werden aus der Perspektive aller anwesenden Kinder in den Blick genommen; auch die Perspektive der „Zaungäste“, also der indirekt beteiligten Kinder, wird wahrgenommen;
  • als Ergebnis einer intensiven Teamauseinandersetzung können neue Zugänge zu Kindern gesucht und gefunden werden;
  • die alltäglichen Routinen werden gezielt in den Blick genommen und bewusster für Dialoge genutzt;
  • Chancengleichheit, Partizipation und Inklusion werden auf Teamebene anhand konkreter Alltagssituationen reflektiert und weiterentwickelt;
  • Gelingens- und Hemmfaktoren für Gespräche werden als Teamaufgabe erkannt und gestaltet.

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